Geschichtliches
5. Dezember: Am Vorabend des Nikolaustages ziehen jedes Jahr über 100 unbescholtene Männer und Burschen (nach erfolgter militärischer Musterung) von Krungl nach Mitterndorf und führen in fünf Lokalen entlang des Weges dieses bäuerliche Jedermannspiel auf, welches für Kinder und Erwachsene belehrend wirken soll. Hauptbedingung ist, dass in jeder Gaststube bzw. auf der öffentlichen Bühne genug Kinder anwesend sind, da sich die Lehren des Bischofs vor allem an diese richten. Auch die Prüfung des Pfarrers über Fragen aus dem Religionsunterricht erfolgt bei den Kindern, die wiederum vom Barchtl beschenkt werden. Um die Befragung zu erleichtern, versammelt sie der Wirt an einem großen Tisch.
In dieses aus früherer Zeit stammende Spiel, in welchem heidnische Figuren, wie Schab, Habergeiß (stammt vom althochdeutschen Wort „habar” und bedeutet „Geißbock”), Schimmelreiter oder Krampus (= Schwarzer oder Teufel) vorkommen, wurden später in der Zeit der Gegenreformation, (16. und 17. Jahrhundert) christliche Rollen, wie Bischof Nikolaus, Pfarrer, Engel, Eheteufel oder Luzifer (= der verstoßene Erzengel) eingebunden.
Im Altertum, in den so genannten „Zwölften”, das waren die letzten zwölf Tage vor der Wintersonnenwende (heute: etwa unsere Rauhnächte), wurde der bevorstehende Sieg der Sonne über die Finsternis gefeiert, wobei sich die Kulttänzer in die Häute der geopferten Tiere hüllten. Es ist unbestritten, dass sich diese Kulthandlungen nicht nur bei uns abgespielt, sondern sich hierher verpflanzt haben. In diesen heidnischen Zeiten huldigte man den Göttern Wodan, Donar oder Thor. Wodan bedeutet „der Wütende”, er ist der Sturmgott und trägt unter anderem den Beinamen „Schimmelreiter” (eine rauhnächtliche Sagengestalt aus den weiten Moorlandschaften Norddeutschlands), weil er das „wilde Gjoad” auf seinem Schimmel durch die Lüfte führte. Später wurde Wodan zum Todesgott; auch der Ruf der Habergeiß lockt den Tod. (”Wenn d’ Håbergoaß schreit, is da Tod neamma weit!”) Der Geißbock war Wodans heiliges Tier. Heute ist die Habergeiß ein Symbol der Fruchtbarkeit und auch eine neckische Spukgestalt.
Das fortschreitende Christentum hatte dann wohl keinen Platz mehr für diese heidnischen Gebräuche und so fand man wahrscheinlich eine andere Sinngebung für diese Kulthandlungen, die auch die Kirche nicht aus der Volksseele reißen konnte. In dieser Zeit dürfte auch die Figur des Barchtls ihren heutigen Sinn erhalten haben. Sein Vorbild ist der heilige Martin, der seinen Mantel mit einem Bettler teilte. Der Barchtl (oder auch Pachtl, abgeleitet vom Wort Perchta) ist vom „Schiachen” oder „Schwarzen” zum „Schönen” oder „Weißen” sozusagen aufgestiegen, ist das Böse in ihm aber noch nicht ganz losgeworden, trug er doch noch vor kurzer Zeit, Fotos beweisen dies, schlimme Kinder in seinem Buckelkorb davon. Der Name weist in die Völkerwanderungszeit (4. Jhdt.), als Germanen ihren nordischen Mythos in die Alpentäler brachten. Frau Perchta ist die Göttin der Fruchtbarkeit, sie hat Macht über Feld und Vieh. Die Perchten sind ihre dienstbaren Geister. Die „Schönen” bringen Segen und Reichtum, die „Schiachen” sind die dunklen Naturgewalten, mit denen der Bauer seit Urzeiten kämpft. Es ist vielleicht wichtiger mit den Teufeln gut zu stehen, als mit den Himmlischen. Der Eheteufel taucht Mitte des 16. Jahrhunderts in der Literatur auf. Der Schmied gehört sicherlich auch zu den christlichen Figuren. Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts von Luzifer noch zu seinen Adjutanten gezählt, zumal er als Feind von Christus angesehen wurde, da er die Nägel für die Kreuzigung schmiedete. (Bericht aus dem 12. Jhdt. von Visio Tnugdali über das schreckliche Geschick der armen Seelen in den vulkanischen Höllenschmieden.)
Manches ist in tiefes Dunkel gehüllt und wird es auch bleiben. Die Lust zum Fabulieren und die Freude am Schauspielern mag zur althergebrachten Urform verschiedene Gestalten dazu gebracht und wieder weggenommen haben, sodass allmählich die heutige - allerdings auch schon viele Generationen zurückreichende Form unseres Nikolospieles entstand. Das tatsächliche Alter lässt sich also nur schwer, aber mit Bestimmtheit als sehr hoch erahnen.
In den Oberösterreichischen Nachrichten vom 29. Dez. 1962 ist folgendes nachzulesen: „Uraltes heidnisches Brauchtum der Vermummung, der Umzüge, des Lärmens und des Springens ist hier lebendig. Schon Anfang des 11. Jahrhunderts hat Burchhard von Worms den lärmenden Umzug einer mittwinterlichen Dämonenschar als vorweihnachtlichen Geisterumzug zu Ross beschrieben. In dieser Mitterndorfer Spuknacht ist es nicht anders.”
Die älteste Maske ist die des Barchtls und stammt aus dem 18. Jahrhundert.
Eine Bewilligung zur Aufführung dieses Spieles an die Gemeindevorstehung lässt sich aus dem Jahre 1862 nachweisen. In dieser Genehmigung steht, dass man sich beim hiesigen Pfarrer zu melden habe.
In Mitterndorf wurde das Spiel mit Ausnahme während der beiden Weltkriege immer aufgeführt. Früher gab es in vielen anderen Orten des Salzkammergutes und des Ennstales solche Spiele, welche jedoch mangels Interesse der nachfolgenden Generationen in Vergessenheit geraten oder wegen Ausschreitungen verboten worden sind. Lediglich in Mitterndorf hat es sich über all die Jahre hindurch erhalten, nicht zuletzt deshalb, weil es nie zu Ausschreitungen gekommen ist, da immer streng auf Disziplin bei den Teilnehmern geachtet wurde.
In der heutigen Zeit finden wir vielerorts wieder Umzüge und Spiele ähnlicher Art, die meisten davon sind zum Spaß für die Teilnehmer oder sind Tourismusattraktion.
Aufzeichnungen über Texte und Zugordnung finden wir aus dem Jahre 1933 von Adolf Schlömicher vlg. Hoandl und die erste Rollenbesetzung hat er im Jahre 1925 niedergeschrieben. Aus dieser Zeit stammen auch die heutigen Eheteufel- und Luziferpredigten, die Johann Pürcher vlg. Führnwein (Jg. 1862) mit Bruchstücken älterer Versionen aus seiner Erinnerung und neuen Reimen seiner Phantasie niedergeschrieben hat. Vorher wurden die Texte mündlich von Generation zu Generation weitergegeben. Der Originaltext im Völkerkundemuseum stammt aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts.
In der heutigen Zeit wird der Krampus (= Schwarzer) in Anlehnung an den Nikolaus „Niklo“ genannt. In der Mehrzahl spricht man von „Niklon“ – man meint eigentlich alle schwarzen Figuren bzw. die Darsteller selbst damit, auch wenn sie eine andere Rolle innehaben. Auf gut hinterbergerisch spricht man es als „Mitlo(u)“ aus. Das Wort „Krampus“ ist bei den „Insidern“ nicht beliebt, jedoch die Jugend spricht gerne vom „Kramperl“. Damit es bei den „Schwarzen“ auch „schwarze Schafe“ gibt, laufen einige wenige mit ungefärbten weißen Fellmänteln beim Nikolozug mit.
Durch die Medien (Presse, Rundfunk [1. Sendung im Jahre 1933] nationales und internationales Fernsehen) wurde das Mitterndorfer Nikolospiel in aller Welt bekannt. Das Interesse an einer Vermarktung für den Tourismus steigt. Solange es sich nur um einige Figuren aus dem Spiel handelt, ist nichts dagegen einzuwenden.
Das Spiel selbst sollte traditionsgemäß jedoch nur in Mitterndorf jedes Jahr am 5. Dezember von Mitterndorfern aufgeführt werden. Es gibt einen diesbezüglichen Beschluss der Gruppenmitglieder aus dem Jahr 1946.
Für jeden Teilnehmer ist es eine Ehre, mitlaufen zu dürfen. Die Tradition unserer Väter und Großväter lebt in uns und unseren Söhnen weiter. Kleinere Änderungen hat es im Laufe der Jahrhunderte immer wieder gegeben und wird es auch immer geben. Die Aufrechterhaltung des Nikolospieles in dieser Form ist jedoch nicht gefährdet, solange bei allen Teilnehmern ein großes Maß an Disziplin und Freude am Mitmachen vorhanden ist. Möge dieser wirklich alte Brauch noch lange das sein, was er heute ist.
Die heutige Nikoloherberge ist das Heimatmuseum Strick im Zentrum von Bad Mitterndorf. Übers Jahr wird hier ein Großteil der Figuren und Kleidungsstücke aufbewahrt und der Besucher der heimatkundlichen Sammlung kann hier die holzgeschnitzten Masken sowie die Gewänder besichtigen.
Nach Allerheiligen werden die Kinder unruhig, schnitzen Larven und versuchen sich als Kramperl oder „Schabtratzer”. Die Kramperl werden von Woche zu Woche größer, bis dann die „Strick-Kramperl” und die „echten Schab” zu einer Generalprobe, allerdings ohne Aufführung, ausrücken. Zuschauer gibt es da auch schon viele.
Am frühen Nachmittag des 5. Dezember werden dann die Gewänder nach Krungl transportiert. Die Schwarzen ziehen sich in der Garage, die Weißen und die Hauptfiguren der Schwarzen im Haus der Familie Zehner an. Die Schab, die im November beim Punz gearbeitet haben, siedeln jetzt zum Hubenbauer, wo sie dann von den Schabhelfern angekleidet werden. (Ab 2005 ist man von der Vorbereitung an beim Hubenbauer.)
Pünktlich um 17.00 Uhr beginnt der Nikolozug und der Quartiermacher gibt den Teilnehmern noch einen guten Rat mit auf den Weg, der öfters auch sehr bestimmt und deutlich ausfallen kann.
Zugordnung:
Mesner (eilen dem Zug voraus)
Schab (hintereinander), dann paarweise:
Quartiermacher und Nachtwächter
Schimmelreiter und Barchtl
Rollenträger und Engel
Bischof und Pfarrer
Bettelmann und Tod
Habergeiß und Schmied
Eheteufel und Luzifar
Luzifarhaber
Jäger und Schwarze
Sorgte früher der Laternenträger für das Schlusslicht, ist es heute die Polizei. Weiters begleitet ein Reparaturfahrzeug mit Ersatzteilen und Werkzeug den Zug sowie mindestens 1 Arrangeur (Türsteher), der den Spielablauf unterstützt und für Ruhe in der Stube bemüht ist.